Was bedeutet Straßenfotografie für mich?


Es gibt keine allgemein gültige Definition der Straßenfotografie. Anstatt einer übergeordneten Organisation oder eines Verbandes sind Straßenfotografen eher in losen Gruppen verbunden. Je nach Interpretation kann der Begriff der Straßenfotografie unterschiedlich bewertet werden. Für mich ist die Straßenfotografie kurz gesagt, dass Dokumentieren des öffentlichen Lebens.

Dies ist eine einfache Ausführung eines sehr komplexen Themas.
Bezogen auf diese Definition bedeutet dies, dass bereits jedes Bild das in der Öffentlichkeit entstand ein “Straßenfoto” darstellt. Der Begriff der Straße sollte allerdings nicht zu wortwörtlich betrachtet werden. Auch Bilder in öffentlichen Gebäuden z.B. können der Straßenfotografie zugeordnet werden. Straßenfotografie für mich ist jedoch enger zu betrachten und verfolgt klare Ziele. Auch wenn dieses Genre oftmals als regellos und frei bezeichnet wird, gibt es für mich auch Grundsätze die ich versuche zu befolgen und im Folgenden erläutere, was die Straßenfotografie für mich bedeutet.

Der Zweck

Was ist der Sinn der Straßenfotografie? Kurz gesagt möchte ich den Zeitgeist eines Ortes einfangen. Meine Bilder sind eine Aufzeichnung menschlichen Lebens zu einer bestimmten Zeit und hoffentlich werden zukünftige Generationen diese Bilder mit demselben Interesse verfolgen wie wir zum Beispiel Fotos aus den 1950er Jahren betrachten. Die Welt ist stetig im Wandel und wer weiß schon welche Aspekte in den heutigen Bildern zukünftig von besonderem Interesse sein werden? Vielleicht werden die Betrachter verwirrt von den kleinen digitalen Displays sein auf die wir ständig schauen, oder vielleicht wird Ihnen unsere Mode missfallen.

Vivian Maier ist eine der bekanntesten Straßenfotografinnen und selbst über die Grenzen dieses Genres hinaus bekannt. Selbst Personen die sich eigentlich nicht mit der Straßenfotografie auseinandersetzen verlieren sich dennoch gerne im Chicago der Vivian Maier. Ohne diese Arbeit und Zeit die wir heute investieren würden wir diese besonderen Momente unserer heutigen Zeit verlieren. Auch wenn die Zukunft ungewiss ist, so denke ich dennoch, dass das Interesse an dem Menschen & der Gesellschaft an sich immer bestehen bleibt. Es ist eine ureigene Neugier zu erfahren wie vorherige Generationen unserer Eltern & Großeltern gelebt haben. Ohne die Straßenfotografie würde diese Dokumentation verloren gehen und alles was bleiben würde von der heutigen Generation wären Selfies auf Social Media Plattformen.

Natürlich muss man realistisch bleiben. Nur wenige der Bilder die heute entstehen werden zeitgenössisch relevant bleiben. Dennoch werden es manche schaffen auch in 100 Jahren noch Menschen zu erreichen und Geschichten vom heutigen Leben zu erzählen.

Authentizität

Eine der Regeln die ich befolge ist, dass jedes Bild ungestellt sein soll. Im Rahmen einer Dokumentation halte ich es für unehrlich künstliche Szenen zu kreieren und diese als Straßenfotografie zu kennzeichnen. Wenn es unser Ziel ist, das Leben unserer Zeit einzufangen dann sollten wir dieses als Fotograf so wenig wie möglich beeinflussen. Andernfalls würden wir nicht das reale Leben zeigen, sondern nur eine künstliche Show, die sich vor unseren Augen abspielt.

In diesem Sinne sind Straßenportraits für mich zum Beispiel kein Bestandteil der Straßenfotografie. Sondern einfach gestellte Portraits die eben in der Öffentlichkeit aufgenommen wurden. Als Straßenfotograf probiere ich mich als stiller Beobachter des Lebens und greife mir die Szenen heraus die eine Geschichte erzählen.

Der Inhalt

Straßenfotografie handelt offensichtlich zu einem großen Teil von Menschen. Muss jedoch jedes Straßenfoto eine Person abbilden um als Straßenfoto zu gelten? Für mich muss ein Straßenbild entweder das Leben abbilden oder zumindest symbolisch darstellen. Ohne diesen lebendigen Aspekt würden die meisten Bilder in der Stadt wahrscheinlich in die Kategorie der Architektur fallen. Diese mögen zwar auch schön zu betrachten sein, zeigen Sie jedoch nicht das Leben auf eine Weise wie ich das mit der Straßenfotografie beabsichtige. Um das Leben zu beschreiben müssen wir jedoch nicht zwingend Personen abbilden. Natürlich stellen auch Tiere diesen lebendigen Faktor dar. Allzu gerne wird ja beschrieben wie ähnlich sich Hunde und deren Besitzer oftmals sind. Aber diese Inhalte können aus meiner Sicht noch weiter ausgebreitet werden. So können auch Gegenstände, die symbolisch für die heutige Gesellschaft stehen im Mittelpunkt eines Bildes sein.

Straßenfotos sollten für mich nicht steril und kalt wirken, sondern aus dem Leben gegriffen sein.

Einzelbilder oder Serien

Straßenfotografie wird häufig in Form von losen Einzelbildern beschrieben. Dies ist aus meiner Sicht auch völlig in Ordnung. Tiefgreifende Serien die sich stärker mit einem Thema auseinandersetzen und als Serie konzipiert sind, fallen für mich eher in die Kategorie des Fotojournalismus. Auch wenn die Straßenfotografie teilweise als eine Form des Journalismus deklariert wird, ist dies für mich nicht wirklich zutreffend. Fotojournalismus verfolgt höhere Ziele mit strikteren Regeln. In dieser Form kann die Straßenfotografie von den Fotografen viel freier interpretiert werden. Ihre Bilder können Geschichten erzählen, dies obliegt jedoch auch zu einem Großteil der Interpretation des Betrachters.

Im Gegensatz dazu sollte Fotojournalismus nicht nur authentisch sein, sondern auch die Realität nicht verzerren. Die Geschichten die abgebildet werden, sollten der Wahrheit entsprechen. Straßenbilder sind dort oftmals freier in der Auslegung. Wenn wir zum Beispiel weinende Personen sehen, könnte dies sowohl eine traurige Reaktion, oder eine freudige Emotion sein. Für das Straßenbild ist nur wichtig, dass eine Geschichte erzählt wird. Wie diese im Detail ausfällt ist jedoch auch der Interpretation des Betrachters überlassen. Demnach können Straßenfotos auch oftmals etwas “abstrakter” wirken. Geschichten die der Fotograf sieht, bleiben vielleicht dem neutralen Betrachter verborgen. Wiederum andere sehen ein anderes Detail als wichtiger für die Geschichte des Bildes.
Jedoch sollten die meisten Straßenbilder als Einzelbilder funktionieren.

Schlussfolgerung

Die eingangs erwähnte Definition kann man um die hier erwähnten Grundsätze erweitern. Demnach ist die Straßenfotografie für mich: “Die Dokumentation des authentischen realen Lebens in der Öffentlichkeit, ausgedrückt in einem einzelnen Bild”. Dies beschreibt meine Sicht auf die Straßenfotografie. Natürlich sollte dies keinen Fotografen davon abhalten die Bilder zu erstellen die er für wichtig hält. Falls Straßenportraits deine Leidenschaft sind solltest du diese weiterverfolgen. Für mich sind diese dann aber eben keine Straßenbilder.

Abschließend möchte ich dennoch jeden dazu aufrufen auch in der Straßenfotografie öfter etwas Neues auszuprobieren. Häufig merke ich, dass dieses Genre sich in starren Grenzen zu bewegen scheint. Bilder ähneln sich stark (Meine nicht ausgenommen). Etwas mehr Innovation und Mut könnte hier für Belebung sorgen. Falls du das Leben aus einer völlig anderen Perspektive verfolgst und dieses auf deine Weise abbildet, so stehen dir alle Möglichkeiten offen, deine Sichtweise mit der Welt zu teilen.

 

 


Eine Antwort zu “Was bedeutet Straßenfotografie für mich?”

  1. Hallo Sebastian,
    habe gerade deinen Artikel gelesen und stimme dir in vielen Dingen zu. Ich selbst bin noch auf der Suche nach der passenden Definition Streetfotografie. Bis jetzt ist es für mich (so wie du es ja auch beschreibst) eine Darstellung des öffentlichen Lebens im Hier und Jetzt. Ungestellt und ungeschminkt. Das einzige, was ich danach mache, ist die Bildbearbeitung. Manchmal SW, manchmal Farbe oder mehr Kontrast und weniger Farbe……..
    Ich glaube, die street und der Fotograf/in, sind in einem stetigen Austausch mit einander. Die meisten Fotos entstehen spontan, nur wenige sind planbar. Planbar ist die location, aber nicht die Person, die plötzlich erscheint. Dies und vieles mehr macht die street für mich so spannend und hat mich in ihren Bann gezogen.
    Danke für deinen Beitrag und weiterhin viel Spaß beim “streeteln” 🙂
    Gruß Andy

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